- time versus fashion - 

23.04. - 24.05.09


 

 

Zur Eröffnung der Ausstellung - "time versus fashion" der Gastkuratorin Martina Köppel-Yang

am 23.04.09 um 19.30 Uhr laden wir Sie und Ihre Freunde herzlich ein.

Grußwort: Bürgermeister Rolf Siebert

 

Begrüßung: Michael Gompf

Einführung: Martina Köppel-Yang

 

Adel Abdessemed - Jiang Zhi - Sun Yuan/Peng Yu - santomatteo - Xu Tan - Yang Jiechang - Zheng Guogu

 

 

In der von der Gastkuratorin Martina Köppel-Yang für den Kunstverein Nürtingen zusammengestellten Ausstellung werden Werke folgender Künstler zu sehen sein:

 

Jiang Zhis Dreikanal-Video Onward, Onward, Onward! (2006) zeigt den stummen Wettlauf dreier chinesischer Präsidenten: Mao Zedong, Deng Xiaoping und Jiang Zemin

 

Xu Tans Serie Keywords (seit 2005) befasst sich mit fundamentalen Begriffen der chinesischen Gesellschaft und globaler Entwicklung.

 

Yang Jiechangs Self-portrait at Forty (1999-2006) ist ein Selbstportrait als Akt. Der Künstler stellt sich aufrecht und mit erigiertem Penis dar. Die kraftvolle und direkte schwarze Linienzeichnung wird von einer Kalligraphie komplettiert: „Artists continue to try hard"

 

santomatteos Videos basieren auf der poetischen Kraft von Gesten. Verglichen mit Gesten sind Worte nur lakonisch schwache Einwürfe.

 

Sun Yuan und Peng Yus Angel (2008) ist die lebensgroße hyperrealistische Skulptur eines Engels.

 

Für My Teacher (1993) filmte und fotografierte Zheng Guogu sich mit einem geisteskranken Obdachlosen auf den Strassen seiner Heimatstadt Yangjiang.

 

Neben Adel Abdessemed’s Trust Me (2007), in dem der Sänger David Moss, mit Vampirzähnen bewaffnet, einen frenetischen Medley aus sieben unterschiedlichen Nationalhymnen intoniert, wird auch sein Video Hot Blood (2008) gezeigt.

 

Einführung:

 

Ein Ritornell, ein starrköpfig wiederkehrender Vers, eine sich rhythmisch wiederholende melodische Formel. Ein Ritornell.

Die Ausstellung time versus fashion spricht von der Möglichkeit des Beharrens, des scheinbaren Rückzugs und der Reduktion als Strategien der Veränderung und des Widerstands. Wandel, Fortschritt, Entwicklung sind Schlüsselworte der modernen wie der postmodernen Gesellschaft; Trends und Moden beschleunigen den Fortschritt, treiben Gruppen, Gesellschaften, Kulturen scheinbar voran. Doch in der allgemeinen Bewegung gibt es Positionen, die beharren, autonome Ruhepole bilden und von den Rändern aus intervenieren und wirken. Aus einer weiteren Perspektive und historisch betrachtet haben diese Positionen jedoch einen unmittelbaren Einfluss auf die Entwicklung. In einem nicht linearen dynamischen System, wie dem der Geschichte, sind individuelle Faktoren ebenso wichtig wie weitreichende Entwicklungen. In einem solchen System kann eine kleine Änderung der Ausgangsbedingungen das langfristige Verhalten des Systems beeinträchtigen. Dies ist der sogenannte Butterfly-Effekt. Das Flügelschlagen des Schmetterlings stellt einen willkürlichen Faktor dar, der eine Kettenreaktion und damit weitreichende Phänomene auslösen kann. Hätte der Schmetterling nicht mit den Flügeln geschlagen, wäre die Entwicklung möglicherweise anders verlaufen. Das wiederholte Flügelschlagen bildet als erratischer Faktor das Hintergrundgeräusch des Wandels, ein störendes Rauschen, das schließlich den Lauf der Dinge beeinflusst.

„time versus fashion" zeigt Künstler, die in ihren Werken solch autonome Positionen artikulieren und einen eigenen Rhythmus, eine eigene Zeit schaffen. Die von ihnen geformte Zeit bekräftigt ferner die Existenz einer anderen Realität, einer Realität, die Zeit, Dingen, Handlungen und Ereignissen ihre ursprüngliche Bedeutung verleiht.

In den meisten der gezeigten Arbeiten spielen der Loop, sowie der Aspekt des Übergangs, der Transition, eine Rolle. Der Loop, technische Parallele des Ritornells, ist wie dies dynamische Verkettung und rhythmisches Gefüge. Der Übergang ist nicht nur ein Wechsel von einem Zustand in den anderen, von einem Bild in das andere, sondern auch ein kurzes Innehalten in der fortwährenden Bewegung, das dem Infragestellen der geschaffenen rhythmischen Ordnung Raum gibt; ein Dazwischen, das Veränderung ermöglicht. Deleuze beschreibt diese so: „Das Maß ist dogmatisch, der Rhythmus aber ist kritisch, er verkettet kritische Augenblicke (…) Der Rhythmus ist niemals auf der gleichen Ebene wie das Rhythmisierte. Denn Handlung findet in einem Milieu statt, während der Rhythmus sich zwischen zwei Milieus platziert, oder sogar zwischen zwei intermediären Milieus.“

Ein Ritornell. Eine Verkettung von Augenblicken, eine Abfolge von Innehalten und Fortfahren, ein Dazwischen. Ein Ritornell.

Martina Köppel-Yang Paris, März 2009